Im Land der Götter, um zu helfen
Ein OP-Team aus Bad Abbach reiste in die indische Stadt Khandwa, um kranken, unterversorgten Menschen zu helfen.
Sie werden in Tempeln verehrt und mit Blumengaben besänftigt. In Indien sind Götter viel stärker ins tägliche Leben integriert als es die Religion hierzulande ist. Doch trotz aller Opfer für die Götter leidet der Großteil der Bevölkerung Indiens unter Krankheiten und Mangelerscheinungen wie weltweit in kaum einem anderen Land. Für das Gesundheitswesen scheint es keinen Gott zu geben.
An dieser Stelle werden andere Helden unerlässlich – die Bezeichnung „Götter in Weiß“ gewinnt hier an Bedeutung.
Der Subkontinent Indien hat in den vergangenen Jahren einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Trotzdem zählt er mit seinen rund 1,2 Milliarden Menschen zur Dritten Welt. Rund 73 Millionen Bewohner leben allein in dem zentralindischen Bundesstaat Madhya Pradesh, in den ein Team aus Bad Abbach reiste. Christine Eisenreich, seit 26 Jahren OP-Schwester, war mit dabei. „Schon immer war es mein Traum, in so einem Land denen zu helfen, die sich sonst keine Hilfe leisten können“, sagt Eisenreich. Sie ist Überzeugungstäterin wie alle in ihrer Crew, und hat ihre ganze Leidenschaft und Kraft in diese zwei Wochen im Hilfseinsatz gesteckt.
Die Not ein wenig lindern
Zusammen mit ihr opferten auch Anästhesiepfleger Jürgen Jäckle, Anästhesistin Dr. Roswitha Schott und Kinderorthopäde Dr. Jan Matussek vom Asklepios-Klinikum Bad Abbach ihren Urlaub und traten ihren Feldzug an, um die Not ein wenig zu lindern. Parasiten, Unterernährung, Vitamin- und Hygienemangel. Probleme, die die meisten Mitteleuropäer nur aus Berichten über die Dritte Welt kennen.
Das Helferteam erlebte diese Welt im indischen Khandwa leibhaftig. Es fehle dort an ärztlicher Hilfe, denn die könne sich die überwiegend arme Bevölkerung nicht leisten, berichtet das Team. „Unbehandelte Narbenbildungen konnten wir in mehrstündigen Operationen mit Hauttransplantationen beheben“, sagt Eisenreich. „Es zerreißt einem oft das Herz und man zweifelt daran, ob man die Kraft hat, das alles durchzuziehen.“ Die Dankbarkeit, die die Freiwilligen vor Ort erlebten, gebe Energie und stärke die Motivation. Ganze 120 Operationen brachten die Helfer aus Bad Abbach in knapp vierzehn Tagen hinter sich. Am schlimmsten sei der erste Tag gewesen, als das OP-Team aus all den Bedürftigen diejenigen auswählen musste, denen es während des Aufenthalts tatsächlich helfen konnte, erzählt Eisenreich. „Den großen Rest mussten wir wieder wegschicken.“
Zwölfstündige Operationstage
Der Andrang sei so groß gewesen, dass das Hospital polizeiliche Unterstützung brauchte. „Sie hätten uns beinahe die Türen eingedrückt“, sagt die OP-Schwester aus Niedergebraching über die Situation vor Ort. Bis zu zwölfstündige Operationstage hatten die freiwilligen Helfern zu meistern. Teilweise wurde in drei Teams operiert. Nach Feierabend standen häufig gesellschaftliche Termine beim Bischof oder einer indischen Hochzeit an.
Dass ihr Einsatz dennoch nur ein sprichwörtlicher Tropfen auf den heißen Stein sein kann, war allen Freiwilligen von Anfang an bewusst. Für die mehr als 100 Patienten, denen das OP-Team in Zentralindien half, war dieser Einsatz dennoch enorm wichtig. Unter den Patienten waren Kinder mit hochgradigen Verbrennungen, meist durch Explosionen der Kerosinöfen, in den armseligen Behausungen. Menschen mit angeborenen Lippen-Kiefer-Gaumenscharten und Jugendliche wie Kinder mit fehlgebildeten Gliedmaßen und Klumpfüßen gehören in Indien zum Straßenbild, berichtet das Team. Für die „plastic surgical“-Camps von der Hilfsorganisation Pro Interplast waren das prägende Eindrücke.
Talent zum Improvisieren gefragt
Die flexiblen Teams der Organisation helfen an verschiedenen Orten Indiens, opfern ihren Urlaub und nicht selten auch eigene Reserven. Doch für die Mitstreiter war der Urlaub noch nie so gut investiert wie im indischen Khandwa, erzählen sie. Westeuropäischer Standards fehlten dabei ebenso wie ausreichende hygienische Verhältnisse und die nötige Ausstattung. Die hatte das deutsche Team mit im Reisegepäck. „Statt üblicher Urlaubsausstattung hatten wir Verbandszeug und Hygieneprodukte im Koffer“, sagt Eisenreich. Trotzdem mussten die Ärzte improvisieren und Missstände überbrücken. „Es war das Abenteuer meines Lebens, ich bereue es nicht“, sagt die OP-Schwester .
Besonders wirke die Dankbarkeit der Menschen in Indien nach, sagt Eisenreich – Dankbarkeit für die Hilfe, das Wissen, die mitgebrachten Mittel und den Mut bei diesem Einsatz. Für Christine Eisenreich und das Team aus Bad Abbach heißt das: „Wir fahren wieder hin.“ Der Bischof der benachbarten Diözese habe bereits die Hoffnung geäußert, von den Ärzten ebenfalls Besuch zu bekommen.